… The idea is that it is not “I/me”, no particular ego, that is “doing” the thinking, but that “it” is doing it “through” me, that I (anyone) could be a sort of medium for something that moves through me/them, and that the art of thinking, of performing and creating, has as much to do with a particular kind of letting something happen as it has with hard work and discipline …

… it places the kind of philosophy that I tend to engage with closer to the boundary of what the art of performance is (or might be). It involves work of course – rehearsal, action and repetition, reading and re-reading ­– but also a form of active passivity, in other words… patience, which equates with a certain willingness and ability to expose oneself to and draw on the energy that comes from the present moment, at the risk that “it” might not come…but it always does …

(Alice Lagaay)

Ich erlebe den Zusammenhang, von dem hier die Rede ist, in vielfacher Weise beim Schreiben von Musik. Der Moment, in dem ich mich setze und versuche herauszubekommen, was das Stück, an dem ich gerade arbeite, will: angefangen von der Grundidee, quasi der Wurzel des künstlerischen Prozesses, über die Frage, welchen Körper diese klingende Materie annehmen, in welche Form sie sich entfalten will, bis hin zu einzelnen Entscheidungen, also etwa Tonhöhen oder Rhythmen — all dies kann ich sehr gut unter den Begriff active passivity fassen, wie er hier beschrieben wird. Eine gespannte Aufmerksamkeit, eine tiefe Konzentration, die wesentlich ein inneres Hören ist: hören was dieses Wesen, das ich noch nicht gut genug kenne, will, sein will, werden will, werden kann. Wenn es gut läuft, gibt es mich als particular ego nicht mehr, sondern ich bin sort of medium, fühle mich dabei aber nicht erniedrigt und meiner selbst beraubt, sondern bin ganz intensiv an meiner eigenen Quelle, bin also sehr viel mehr “ich”, als wenn ich einen Vertrag mit meiner Unterschrift zeichne.

Mir fallen bei dieser anderen Art der Aktivität — anders gegenüber einem Handeln das Laotse als etwas mit aufgekrempelten Ärmeln erzwingen bezeichnet — zwei Vorgänge auf, die ich gern kurz andeuten würde. Erstens, es gibt nur den nächsten Schritt; zweitens, welcher Art ist das Wissen, das beim Gehen dieses “Weges” (bekanntlich die Grundbedeutung des chinesischen Dao) entsteht.

Der nächste Schritt: Das große Ganze, das Allgemeine, das Grundsätzliche mag existieren, aber es ist in dieser anderen Bezüglichkeit nicht relevant und insofern auch nicht wirklich. Wirklich ist das Nächste, es zeigt sich, wenn der Prozess begonnen hat, und er hat eigentlich immer schon begonnen, ich muss es nur mitbekommen. Etwas ist ja immer da: Vielleicht bin ich erregt von einem Stück Musik, und der nächste Schritt ist heraus zu bekommen, was genau mich da erregt, und welche eigene Musik mir daraus hervorgehend vorschwebt. Vielleicht höre ich innerlich eine konkrete musikalische Gestalt; dann ist der nächste Schritt, sie zu fassen und die in ihr liegenden Potentiale zu entdecken. Wenn das getan ist, entsteht wiederum “von selbst” der darauf folgende Schritt — erst jetzt, vorher gab es ihn nicht, aber jetzt ist er klar, und führt seine eigenen Aufgaben mit sich. Die Folge der Schritte kann sehr verschieden sein; manchmal geht es bei der Arbeit an einer Komposition vom Großen ins Kleine, manchmal von hinten nach vorn, manchmal ist der Anfang klar, und manchmal etwas, das dauernd wiederkommt.

Wissen: Wie es in der künstlerischen Arbeit das große Ganze nicht gibt, sondern nur den nächsten Schritt (aber ist das nicht sehr viel), so gibt es auch nicht das große Wissen, sondern nur das Wissen “hier”, an einem Punkt oder Ort. Die Entstehung dieses Wissens hat maßgeblich mit Zeit zu tun; mit der Zeit, die es braucht um eine Frage zu beantworten. Diese Zeit kann sehr verschieden bemessen sein. Manchmal weiss man sofort, es ist “klar”. Manchmal wird es klar, wenn man sich hinsetzt, sich hineinbegibt, hineinimaginiert, vielleicht ist das nur ein tiefer Moment, oder eine Stunde, oder ein Vormittag. Manchmal dauert es, man muss aufhören und sagen “ich weiss noch nicht”, und die Frage mitnehmen, mit sich tragen, austragen, und vielleicht morgen, oder auch nicht, irgendwann kommt es, manchmal überraschend, und dann ist es “klar”, dann gibt es Sicherheit, Wissen, an diesem Punkt. Und das ist genug, um hervor zu bringen.