Geboren 1961 in Braunschweig. Die Eltern betrieben ein kleines Textilgeschäft in der Beethovenstraße. So lag es nahe, dass Beethovens Musik, über Schallplatten der Mutter, im Alter von zehn Jahren eine tiefe Erschütterung auslösten. Erschütterung und gleichzeitig zu Hause sein; zu Hause sein in der Erschütterung. Das war Musik, und diese Musik wurde erlebt über Technologie und Medium. Konzertbesuche, die es auch hin und wieder gab, haben in dieser Zeit nicht annähernd eine ähnlich tiefgreifende Wirkung hinterlassen. Dort gab es einen großen Saal mit vielen Menschen; man musste sich so und so anziehen und die Musik war weit weg. Aber hier, im Alleinsein mit der Stereoanlage im Wohnzimmer der Eltern, wurde Erleben von Musik durch Technologie anders, tiefer, in paradoxer Weise näher ermöglicht. Von heute aus gibt es eine merkwürdige Nähe zwischen dem Kind, das zum Klang von Lautsprechern im Zimmer umherläuft, und der späteren Arbeit im elektronischen Studio, ebenfalls vor Lautsprechern.
Ebenfalls durch die Mutter war ein Klavier im Haus. Ihr Vater, Sohn einfacher Handwerker, war dem Lehrer durch besondere Begabung aufgefallen und hatte eine Ausbildung zum Dorfschullehrer und Organisten absolviert. So spielte auch sie, die Mutter, etwas Klavier, und die Kinder bekamen Unterricht. Die Famlie des Vaters waren Bauern gewesen; ein Hof in einem kleinen Dorf in Zentralpolen, als deutsche Minderheit insgesamt, aber als deutsche Mehrheit in dem Dorf von etwa hundert Höfen.
Klavierunterricht also, aber da passierte nicht viel. Mehr schon durch Popmusik im Alter von dreizehn, vierzehn. Durch Songs der Beatles selbst Texte schreiben, tatsächlich. Protest, Jugendkultur, warum ist das so, warum soll das so sein, ich will das nicht. Andere Musik später, Pink Floyd, andere Freunde, viel Lesen, die ganze Zeit. Über die Schule, gefördert vom aufgeschlossenen Musiklehrer, mit siebzehn Jahren Teil einer Jazz-Rock Gruppe, die sich rapide entwickelte. Proben jeden Abend, Improvisation, eine neue Welt, immer freieres Spielen, Free Jazz, das war das Tor zur Neuen Musik. Komponieren begann, für die Gruppe.
Aber die Gruppe zerbrach nach zwei Jahren, und das Komponieren wollte in andere Richtungen gehen als Themen und Improvisationsabläufe zu schreiben. Aber bloß nicht Musik studieren, Musik ist mir viel zu wichtig, das kann ich doch nicht studieren, aber Literatur, ja, das geht, und Kunstgeschichte, das kenne ich ja gar nicht. Noch in Braunschweig, ab 1982, wurde das Nebenfach Kunstgeschichte durch den Lehrer Martin Gosebruch in mancher Hinsicht zum Hauptfach. Prägende Erlebnisse, was passiert, wenn Bilder lange und intensiv betrachtet werden, und ein gemeinsames Gespräch darüber stattfindet. Diese Erlebnisse bleiben.
Aber die Heimatstadt musste einmal verlassen werden, ein Freund studierte auch Literatur in Hamburg, und so kam der nächste prägende Lehrer dort, Klaus Briegleb. Texte mit ihm, durch ihn anders lesen lernen. Politische Diskurse und Kunst. Heine, Lessing, Peter Weiss, und Foucault, Derrida, Kristeva. Anderes Bewusstsein der Shoah, des unfassbar normalen Massenmords und seinen Dimensionen. Schreiben entstand in dieser Zeit neu, aber auch die Erkenntnis, nicht als Literaturwissenschaftler arbeiten zu wollen. Die Abschlussarbeit über Lessing und den Deutschen Herbst war spannend zu schreiben. Der Abschluss hiess, als sei es eine Laune der Kultur, Magister Artium — Meister der Künste.
Die Nase erstmal voll von der Akademie, Geld verdienen durch Klavierunterricht, in der kleinen Wohnung, es reichte so grade, und ansonsten Lesen und Schreiben. Schreiben an einem Buch, Gnosis, als literarische Geschichtsschreibung über eine spätantike, eine frühchristliche Ausgrenzung. Wie die Kirchenväter, im Namen der Liebe, mit gnadenlosem Hass die anders Denkenden, anders Phantasierenden verfolgten. Selbst gerade noch verfolgt, aber schon im Modus des Ausmerzens. Eine Studie über Geschichte, in Fragmenten, Blicken, immer bezogen auf die Gegenwart, auf Wahrnehmungen, Erinnerungen. Niemand hatte nach diesem Buch gefragt, es wurde fertig, aber es fand sich kein Verleger bei der zweifellos ungeschickten Suche. (Erst fünf Jahre später, als das Leben schon woanders war.)
So ging es nicht weiter, aber inzwischen war die Sorge, durch das Musikstudium könnte der ganz eigene Zugang zur Musik ausgetrieben werden, gewichen, gemeinsam mit dem Bewusstsein, dass das Komponieren — das immer weiter gegangen war — einen Rahmen brauchte. Also 1995 Aufnahmeprüfungen, und darin die erste Begegnung mit Younghi Pagh-Paan. Verrückt, aber etwas war darin, etwas war so anziehend, gerade weil nicht einfach zu verstehen, dass Bremen gewählt wurde als Hochschule, nicht Hamburg. Dieses Etwas trog nicht; durch Younghi lernen wie Komponieren sein kann, und wie Unterrichten sein kann. Moderne Verfahrensweisen lernen, auch durch Günter Steinke, auch durch die Mitstudierenden, und die Musik kennen lernen von Xenakis und Nono, von Lachenmann und Klaus Huber. Lernen wie Konzerte organisiert werden, Verantwortung übernehmen.
Erst jetzt, Mitte der neunziger Jahre, später als bei den Freunden, kam der Computer, aber dann schnell mit großer Auswirkung. Programmieren, erst PatchWork und Max, dann Lisp und Csound. Faszinatiion der virtuellen Welten, des Baus von Ereignisstrukturen im Programmieren. Die ersten Elektronik-Stücke, Seduction und Ein Ort für Zufälle, gingen darum.
Zusammenarbeit mit Videokünstler:innen entstand schon während des Studiums, und bald danach die Freundschaft mit Jörg Holkenbrink und seinem Zentrum für Performance Studies an der Uni Bremen. Erfahrung mit Performance und Musik, durch eigenes Spielen und durch Komponieren für bestimmte Performances: Speisen mit dem Menschenfeind nach Molière 2008 und Am seidenen Faden 2015.
Unterrichten, erst Klavier, dann Musiktheorie, schließlich Elektronik und Komposition, war immer mehr als nur Broterwerb. Es war und ist Kontakt, Weitergabe, vor allem gemeinsames Lernen. Zunächst in Bremen, ab 2004 auch an der Musikhochschule Hannover, ab 2008 fest dort als Leiter des Bereichs elektronische Komposition im Institut für neue Musik Incontri.
Bereits 2002 zum erstenmal in Teheran, intensivierte sich der Kontakt zur Neue-Musik-Szene dort bald, vor allem zur Yarava Music Group. Workshops über Elektronik und Komposition seit 2009, Freundschaften entstanden und vertieften sich, Beschäftigung mit traditioneller asiatischer Musik wurde konstanter, nicht zuletzt durch wunderbare Instrumentalist*innen wie Mehdi Jalali, Yasamin Shahhosseini oder Sori Choi. Stücke entstanden für sie und mit ihnen, und im Rahmen er der Hannoverschen Gesellschaft für Neue Musik wurden Festivals, Konzerte, Workshops und Diskussionen veranstaltet zu Neuer Musik und traditioneller asiatischer Kultur: Dastgah 2016, Traiect 2017, 2019, ...
Seit 2014 wieder vermehrt Schreiben: Texte in der Konstellation Laotse und Schwitters, Übertragungen der Chan-Meister Huangbo und Linji. Gründung des Schrenz Selbstverlages. Und dank des Software-Instruments Alma Rückkehr zur Improvisation, mit Berührung zur Free Music.
Engagement in der Open-Source-Bewegung seit 2005, mit vielfältigen Aktivitäten vor allem beim Projekt Csound, der ältesten noch lebenden Audio-Programmiersprache. So zurück bei politischen Fragen, von einem anderen Blickwinkel aus: Wie kann das Werkzeug für die eigenen elektronischen Kompositionen kollektiv entwickelt werden, basisdemokratisch, ohne Abhängigkeit vom großen oder kleinen Geld. Wie kann es eine Software für alle sein, egal wie arm oder reich, aber auch abhängig vom Engagement der Einzelnen. Wie können wir Teilen und Zusammenarbeiten, nicht in der Theorie, nicht in Träumen und schönen Phantasien, sondern heute, unter diesen Bedingungen, so wie wir jetzt sind.