der raum, in dem wir uns miteinander befinden, in dem wir uns begegnen, aufeinander reagieren, ist ein spezifisch anderer, je nach dem gegenüber und unserer beziehung zu ihm. der raum dieser beziehung ist nicht austauschbar mit dem raum der beziehung zu jemand anderem. es geht um berühung, und diese berührung lebt und spendet, wenn sie als einzigartige empfunden und gestaltet wird.
begegnen wir uns unmittelbar, merken wir, wie sich unser körper anders verhält bei diesem als bei jenem menschen. was sich hier frei anfühlt und bewegt, wird dort vielleicht steif oder linkisch. so dass der raum an sich sich anders anfühlt, zwischen warm und kalt, offen und verstellt, geborgen und ausgesetzt.
dieses unverwechselbare in körperlichkeit und raum bildet sich auch in der sprache ab. immer anders ist der tonfall, der rhythmus, die ausdrucksweise, und natürlich sind auch die inhalte verschieden, je nach der beziehung, die wir zu der jeweiligen person haben.
das ist es, was sich auch im schreiben zeigt. auch ein brief hat diesen je spezifischen tonfall, hat ausdrücke, die wir nur bei dieser person verwenden, hat schlüsselwörter und inhalte, die wir nur hier teilen. zeige ich einen brief, der in dieser weise persönlich an mich gerichtet ist, jemand anderem, verletze ich den raum dieser einzigartigkeit, und ebenso verletze ich das vertrauen der anderen person auf die wertschätzung dieses raumes und dieser einzigartigkeit.
diese verletzung nun ist alltäglich geworden im digitalen medium, und scheint niemandem überhaupt mehr aufzufallen. eine nachricht an einen museumsdirektor, die sowohl einen geschäftlichen als auch einen persönlichen teil hat, wird von diesem als ganze an seine verwaltung weitergeleitet. ein freund leitet eine email, die doch ihn meinte und im ton an ihn geschrieben war, so wie sie ist an einen anderen freund weiter, weil darin ein vorschlag war, der diesen anderen freund betrifft. eine kollegin leitet ein anfrage, die sich mit persönlichen mitteilungen und fragen verband, als solche an ihre abteilung weiter.
normalerweise geschieht die übersetzung von einem raum in den anderen durch eine eigene formulierung. frank macht den vorschlag dass ... ist solch eine transformation, weil ich mit meinen worten formuliere, was frank mir in unserem gesprächsraum geschrieben hat.
der weniger spezifische und weniger aufwändige akt ist, die abschnitte einer nachricht, um die es geht, also in diesem fall franks vorschlag, herauszukopieren und in meine nachricht an jemand anderen einzusetzen. das dauert wenige sekunden und würde immerhin die persönlichen anteile trennen von denen, die auch andere betreffen.
stattdessen der klick auf den forward button, und fertig ist die verletzung. wieso verletzung, ist doch normal. keine zeit. ist schneller. einfacher. machen doch alle. mein gott worauf soll ich denn noch achten.
wenn das ein treffendes beispiel für den bewusstlosen umgang mit digitalen medien und ihren möglichkeiten ist, würde es bedeuten, dass wir unfähig sind, die medien so zu benutzen, dass respekt gewahrt bleibt und feinfühligkeit geübt wird. stattdessen geht das schnelle einfache über alles und wird zum neuen standard. das ist aber das gegenteil von kultur, wenn kultur pflege von etwas ist, weil diesem etwas ein wert zugemessen wird. also mit zeit zu tun hat, mit aufmerksamkeit, mit widmung.
ins poitive gewendet heisst das aber auch, dass es anders möglich wäre. die email gäbe ja nach wie vor die möglichkeit der eigenen umformulierung, oder auch des kopierens eines abschnitts. es ist nicht das medium selbst, das etwas macht, sondern unser gebrauch davon.