die frankfurter silberinschrift, gerühmt als erstes zeugnis christlicher frömmigkeit nördlich der alpen, zeigt christus als herrn der welt, von dem man schutz vor den schlägen des lebens bekommen werde, wenn man sich zu ihm bekenne, also beispielsweise dieses zauberamulett bei sich trage. dieses rettungsmittel schütze den menschen der sich hingibt dem willen des herrn jesus christus gottes sohn da sich ja vor jesus christus alle knie beugen die himmlischen die irdischen und die unterirdischen.
warum hier wohl von glauben gesprochen wird, und nicht von opportunismus oder vorteilsnahme. wohl weil nicht alle die auffassung teilten, dass jesus christus der herr der welt ist, sondern stattdessen mithras, wotan, jupiter oder sol invictus an diese stelle setzten. diese ungewissheit gibt es bei den politischen oder militärischen herrschern, in deren einflussbereich man sich befindet, nicht. aber diesen unterschied zwischen dem reich der vorstellung und der physischen wirklichkeit einmal beiseite gelassen, zeigt sich hier wieder die auf tausch angelegte fatale verbindung zwischen unterwerfung und herrschaft. die vielen unterwerfen sich den wenigen, erkennen also deren superiorität an, und bekommen dafür schutz. statt selbständigkeit, mut und kritik ist selbstaufgabe, duckmäusertum und unterordnung gefragt. was aus angst und egoismus gespeist ist, die unterwerfung um den lohn zu erhalten, wird zur haltung des glaubens verklärt.
was wäre das gegenmodell. das gegenmodell wäre ein akzeptieren dessen, was in der existenz als härte gegeben ist, als grenze, als schmerz, als tod. der glaube wäre dann, dass genau das zu lernen ist. zu lernen, zu üben. der glaube wäre, dass dieses akzeptieren, dieses lernen und üben gut ist, statt die grenze zu meiden, zu verschieben, vor ihr angst zu haben, sie zu hassen, mit ihr zu hadern, sie zu bekämpfen. eine haltung, die mit diesem glauben verbunden ist, wäre die gegenseitige hilfe bei dem, was schwer zu tragen und ertragen ist.
glaube wäre hier gerade, was nicht auf tausch gegründet ist und keinen unmittelbaren vorteil nach sich zieht. glaube wäre, was keinen greifbaren adressaten hat, und schon gar keinen herrscher, der macht besitzt, der töten oder leben machen kann. glaube wäre auch immer mit absurdität verbunden, mit einer widmung ohne jede gewissheit, dass diese widmung gelesen wird, oder vielleicht gar mit der gewissheit, dass diese widmung nicht gelesen wird. eine neue variante des credo quia absurdum.
das wäre ein trauriger glaube, weil er den begriff des glaubens besetzt sieht von verbrämtem egoismus und einer unterwerfung, die noch unappetitlicher scheint als jede unterwerfung ohnehin, beruht sie doch auf dem eintauschen eigener ermächtigung als profit. ein trauriger glaube, weil er so wenig bemühen sieht, die grenzen der existenz als rätsel zu verstehen, das zu lösen uns aufgegeben ist. wenigstens es zu versuchen, vielleicht um immer zu scheitern.
das wäre aber auch ein fröhlicher glaube, unter anderem, weil er sich mit dem absurden verbindet, in ihm und aus ihm lebt. und weil er sich verbindet mit vielen alltäglichen menschen, die ihn immer wieder und überall leben, ob mit oder ohne einen jesus oder buddha, als zuwendung, hilfe, aufrichtigkeit, gerade wenn es keinen profit zu erlangen gibt und keine zinsen auf dem konto der guten taten gut geschrieben werden.