der geist des tales stirbt nicht
verborgene weiblichkeit
das tor der verborgenen weiblichkeit
wurzel von himmel und erde


geister sterben. geister sterben weil sie geboren werden. geister werden geboren in handlungen, in geschehnissen. in manchen handlungen, in manchen geschehnissen. vielleicht bildet, wie bei allem geborenwerden, eine gewisse stabilität, eine gewisse verlässlichkeit, eine bestätigung durch wiederholung die voraussetzung für einen geist. meist geht die geburt unbemerkt vor sich, aber plötzlich ist er da, der geist. jeder merkt es. eine gruppe von menschen handelt, und irgendwann merkt jeder: hier ist der geist der freiheit. oder der geist des zwangs. oder der geist der verstellung. jeder kann das merken, und das ist die geburt. und dann lebt der geist, und begleitet die gruppe, wie man sagt. neue mitglieder mögen hinzukommen, alte mögen weggehen. das stört den geist gar nicht, solange nur die freiheit, oder der zwang, oder die verstellung bleibt.

aber irgendwann stirbt vielleicht die gruppe. sie löst sich auf, geht auseinander, zerstreitet sich, zerfällt. ist das dann auch der tod des geistes. stirbt der geist mit dem tod der gruppe.

nein, so sterben geister nicht. so wenig, wie sie mit dem ersten gruppenmitglied geboren wurden, so wenig sterben sie mit dem letzten. sondern der geist der gruppe, die gestorben ist, sei es der geist der freiheit, oder der geist des zwanges, oder der geist der verstellung, dieser geist begibt sich dann auf die suche. er hat keinen wohnort mehr. er sucht einen neuen wohnort. es geht ihm nicht um die einreise in ein land, sonder es geht ihm um die einreise in einen raum. es könnte beispielsweise der kontrollraum einer überwachungsanlage sein. wichtig sind die menschen, wichtig sind die handlungen dieser menschen, und wichtig ist die gewisse regelmäßigkeit dieser handlungen. da ist der kontrollraum ein gutes beispiel. es macht auch nichts, dass in ihm rund um die uhr gehandelt und behandelt wird. geister brauchen keinen schlaf. die enge des kontrollraums ist für den geist weder hindernis noch erfordernis. ein kontrollraum von wenigen quadratmetern größe gilt einem geist dasselbe wie eine weltumspannende organisation, sagen wir der internationale, so lange es sie noch gab. auch solche organisationen sind für ihn nur ein einziger ort, so paradox es für unser menschenbewusstsein klingen mag. ja, der ort kann so groß sein wie die ganze allgemeine katholische kirche, und er kann so klein sein wie eine zweierbeziehung, dem geist gelten sie ganz dasselbe wie ein kontrollraum.

nicht die größe des raumes ist ihm also wichtig, sondern dessen beschaffenheit. er braucht seine ganz spezifischen lebensbedingungen an dem neuen ort. er kann sich nicht wirklich anpassen, er kann sich nicht ändern. und wenn der geist der freiheit, oder der geist des zwanges, oder der geist der verstellung im kontrollraum, oder in der katholischen kirche, oder der zweierbeziehung nicht so leben kann, wie er das gewohnt ist, dann, erst dann stirbt er.

und so ist die ganze welt erfüllt von einem geistersterben. denn auch gruppen, die länger als ein paar monate oder jahre existieren, beispielsweise die nun schon oft genannte katholische kirche, ändern sich ja ständig. der liebevolle antihäretische hass der kirchenväter oder der geist des ablasshandels mussten irgendwann weichen, weil sich die bedingungen geändert hatten. und so sind die entsprechenden geister gestorben, wenn sie keine andere bleibe gefunden haben, und können erst später bei guten bedingungen wieder neu entstehen.

wenn nun also geister so sterben, aber der geist des tales nicht stirbt, dann fragen wir mit unserem gewöhnlichen menschenbewusstsein, warum der geist des tales nicht stirbt. das kann nur daran liegen, dass das tal nicht stirbt, so dass der geist immer seine lebensbedingungen hat. das tal, das unten liegende, das tal, durch das etwas hindurchfließt, das tal, in dem sich etwas sammelt. wasser meist. bei anderen flüssigkeiten spricht man von einem tal der tränen, des leids, oder der trauer. vielleicht könne man auch von einem tal der freude sprechen, aber man spricht von den gipfeln der freude.

ist also für den geist des tales das unten liegen lebensnotwendig, und denken wir an die art, wie geister sterben. dann müssen wir sagen, auch wenn ein untenliegen mal nicht mehr unten liegt, sondern entweder oben zu liegen gekommen ist oder sogar aufsteht, wenn also das tal kein tal mehr ist, auch dann wird der geist des tales noch ein tal finden, das ein richtiges tal in seinem sinne ist, also untenliegt. mathematisch ausgedrückt hieße das, es gibt mindestens ein tal für das gilt, tal ist element von unten. und aus diesem satz, der aufgeschrieben sehr viel eleganter aussieht als er gesprochen klingt, aus diesem satz folgt gleich der nächste, der satz der identität. das ist die verborgene weiblichkeit. weil der geist des tales nicht stirbt, deshalb ist die weiblichkeit verborgen. würde der geist des tales genauso sterben wie alle anderen geister, wäre die weiblichkeit nicht verborgen, sondern offenbar. das sterben wäre dann die offenbarung der weiblichkeit, so wie das sterben christi die offenbarung seiner göttlichkeit ist, oder das sterben einer fliege die offenbarung seiner vergänglichkeit.

so lange also etwas untenliegt, so lange bleibt die weiblichkeit verborgen. liegt einmal nichts mehr unten, dann wird die weiblichkeit offenbar. aber dafür gibt es keine anzeichen, und so stellt sich zunächst eine andere frage. die frage, wie man zur verborgenen weiblichkeit gelangen kann, so man das wollte. denn wenn man das nicht sterben nicht sehen kann, wie soll man zu ihm den weg finden. soll man sich etwa tastend vorwärts bewegen. oder, auf dem bauch liegend, von den gipfeln der freude ins tal rutschen. das könnte der grund für die übung der soldaten sein, sich im gelände robbend fortzubewegen, aber das ergebnis ist nicht vielversprechend. der fehler liegt in einem grundlegend falschen ansatz. man sucht nach der verborgenen weiblichkeit, und man meint, man müsse das tal suchen. es robbt sich also der soldat von den gipfeln der freude ins tal hinein, und er bedenkt dabei nicht einmal, dass dieses tal vielleicht gar kein tal mehr ist. vielleicht liegt es gar nicht mehr unten. vielleicht ist es nur noch das bild eines tals, aber da wohnt längst ein anderer geist drin. sei es der geist der wahrheit, oder der mathematik, oder des ablasshandels - das tut alles nichts zur sache. ohne wirkliches tal keine verborgene weiblichkeit. und das ist das erste problem. nun nehmen wir an, der soldat, oder der seehund, hätten sich tatsächlich in ein wirkliches tal gerobbt. wir wissen, es existiert mindestens ein tal für das gilt, tal element unten, und so wissen wir auch, es existiert mindestens ein soldat, oder seehund, für den gilt, soldat element tal element unten. sei er also angekommen, der seehund-soldat, im wirklichen tal, so müssen wir ihm leider zurufen, dass das nicht wirklich viel hilft. dass es immer noch falsch ist. warum, weil er glaubt, man könne im tal, im gegenstück zu den gipfeln der freude dort, die verborgene weiblichkeit finden. man müsse nur die seehundschnauze aufmerksam und ausdauernd schnüffelnd im ganzen tal umherführen, und irgendwann fände man die verborgene weiblichkeit.

diese verwechselung hat wohl schon so manchem soldaten und so manchem seehund den verstand oder gar das leben gekostet. sie machen einen ganz fundamentalen fehler. sie suchen nach der verborgenen weiblichkeit, und sie meinen, sie könnten sie irgendwo im tal finden. als wäre die verborgene weiblichkeit ein fisch, den man mit seiner geschickten schnauze fängt, oder ein heiliger hügel, auf dem man sein kreuz errichten kann. weit gefehlt.

wonach sie suchen müssten, der soldat und der seehund, das wäre das nichtsterben des untenliegens. das klingt recht geheimnisvoll, und vielleicht wäre das das erste, was der soldat und der seehund begreifen müssten. dass sie nach etwas suchen, das man nicht so leicht fangen oder besetzen kann wie einen fisch oder einen hügel. dass sie nach einem tor suchen. dass sie nach etwas leerem suchen. denn was hilft ein verschlossenes tor. es müsste schon offen stehen. nicht einfach eine verlängerung der mauer, die die verborgene weiblichkeit umschließt, nicht einfach eine verlängerung der mauer mit den mitteln des holzes. nur wenn es offensteht, oder auf einen sanften stupser der seehundschnauze hin sich öffnet, wenn also die leere sich öffnet, nur dann ist es ein wirkliches tor. dann hätte man sie gefunden, die verborgene weiblichkeit.

wo also ist das tor. ist das tor im tal. nein, das tor ist nicht im tal, jedenfalls nicht mehr als irgendwo anders. es ist auch nicht auf den gipfeln der freude, also dort, wo himmel und erde zusammenstoßen. es ist nicht dort, wo himmel und erde zusammenstoßen, sondern es ist die wurzel von himmel und erde. wo findet man die wurzel von himmel und erde. wenn es eine wurzel ist, sollte sie ja tiefer liegen. tiefer als himmel und erde. nun ist die erde zwar tiefer als der himmel, aber die erde ist doch nicht die wurzel des himmels. und selbst wenn sie es wäre, selbst wenn man mit gewissem recht sagen könnte, das tal der trauer sei die wurzel der freudengipfel, selbst dann muss man doch sagen, dass es dann umso weniger begreiflich ist, was die wurzel der tales ist. und erst recht die der ganzen erde.

nein, eine andere wurzel ist hier gemeint. es ist die eine wurzel, aus der sich beide, himmel und erde, bilden. die eine wurzel, aus der ein stamm entsteht, und himmel und erde wachsen aus diesem stamm hervor. wo aber ist denn diese wurzel, fragen sich der seehund und der soldat, die inzwischen etwas verloren im tal sitzen. wo ist tief, wenn ich nicht einfach in der erde danach graben kann. wo ist unten, wenn es nicht unter meinen füßen anfängt. kann die wurzel, wenn sie leer ist, zum tor werden, zum tor der verborgenen weiblichkeit. oder kann aus der leere, wenn sie wurzelt, ein tor werden.

das fragen der soldat und der seehund.