IN HOC APPARUIT

(nach meister eckart, predigt 5b, deutsche werke I, hg largier, frankfurt:klassiker verlag 1993, 66-75)


darin ist uns gottes liebe erzeigt     und an uns sichtbar geworden     dass gott gesandt hat seinen eingeborenen sohn in die welt     auf dass wir leben mit dem sohn und in dem sohn und durch den sohn

denn alle die nicht leben durch den sohn     die sind nicht in der rechten wahrheit     was ist das

wenn ein mächtiger könig ist     und hat eine herrliche tochter     und gibt sie eines armen mannes sohn     so werden alle von dessen geschlecht dadurch erhöht     und kommen in würden     

so spricht denn ein meister     gott ist mensch geworden     dadurch ist das ganze menschen-geschlecht erhöht     und gewürdigt     und so freuen wir uns     dass unser bruder christus aufgefahren ist     über alle chöre der engel     und zur rechten des vaters sitzt     ja     dieser meister hat gut gesprochen     aber ehrlich gesagt     ich gebe nicht viel darauf     was hilft es mir denn einen bruder zu haben der reich ist     und ich bin arm     was hilft es mir einen bruder zu haben der weise ist     und ich bin dumm

nein anders     gott ist nicht nur mensch geworden     er hat die menschliche natur zu sich genommen     die wahrheit ist     alles gute das alle heiligen jemals hatten     und maria die mutter gottes     und christus in seinem menschsein     das ist mein eigen in dieser natur

mein eigen in dieser natur

nun     wenn wir alles haben in dieser natur     warum setzen wir dann christum über uns     als unseren herren und gott

das tun wir wegen diesem     weil er von gott kam     zu uns     und hat uns zugetragen unsere seligkeit

die seligkeit aber     die er uns zutrug     die war unser     unser in der menschlichen natur     und dort     dort wo der vater seinen sohn gebiert     in dem innersten grund     dort ist auch diese natur     diese natur die eins ist     eins und einfaltig

wer in dieser natur ganz sein will     nackt und bloß     ohne jedes dazwischentreten     der muss alles personhafte aufgeben     so dass er dem menschen jenseits des meeres     den er nie mit augen gesehen hat     dass er dem genauso gut ist     wie dem menschen hier bei ihm     seinem freund und verwandten

ja wirklich     wenn wir uns mehr gutes gönnen     als den menschen die wir nie gesehen haben     so haben wir noch nicht einen augenblick in den einfaltigen grund geschaut

und reinen herzens sein     denn     das herz ist allein rein     das alle geschaffenheit hinter sich gelassen hat

und frei vom nicht sein     denn die kohle     die brennt in meiner hand     die meine hand verbrennt     die kohle tut das nicht von sich     sondern weil sie etwas hat     das meine hand nicht hat     und es ist     dieses nicht     das mich brennt     hätte meine hand all das in sich     was die kohle ist     dann könnte alles feuer das jemals in der welt brannte meine hand nicht verbrennen     mich nicht peinigen

so viel nicht uns zukommt     so sehr sind wir unvollkommen     und wer vollkommen sein will     muss frei sein vom nicht

wer das leben fragte tausend jahre lang     warum lebst du     es könnte immer nur eines sagen     
ich lebe deshalb dass ich lebe     das kommt aus dem      das leben lebt aus seinem eigenen grund     es quillt ganz und gar aus seinem eigenen     deshalb lebt es ohne warum     und lebt sich selbst

und so ein wahrer mensch     der aus eigenem grund wirkt     wer den fragt     warum tust du deine werke     dieser mensch kann immer nur eines sagen     ich wirke deshalb dass ich wirke     

wo die geschaffenheit endet     dort beginnt gott zu sein     was gott begehrt ist nichts als dies     dass wir uns selbst als geschaffene hinter uns lassen     und gott in uns gott sein lassen     

das bild von geschaffenheit     wie klein das bild auch sei     es ist so groß wie gott groß ist     denn es verhindert den ganzen gott     siehe      wo das bild eingeht     da ist kein platz für gott     aber wo das bild herausgeht     da geht gott ein     

so sehr begehrt gott dass wir aus unserer geschaffenheit heraustreten     als läge all seine seligkeit daran     ei     was schadet es uns denn     wenn wir gott das gönnen     dass gott in uns gott sein kann     gehen wir     gehen wir aus uns selbst ganz heraus     um gottes willen     so geht gott ganz aus sich selbst heraus     um unseretwillen     wo diese beiden herausgehen     was da bleibt     das ist ein einfaltiges eines     daraus blüht der heilige geist     

und ein verlangen entspringt daraus     das gehört der seele an     steht dies verlangen unberührt von aller geschaffenheit     so ist das verlangen frei     und     sei das verlangen auch unfrei geworden     sei es zerflossen in geschaffenheit     dennoch     kehrt es sich nur einen augenblick zurück     zurück in seinen ersten ursprung     da ist es wieder frei     und dieser augenblick hat alle verlorene zeit zurückgebracht

manche sagen     bittet für mich     da denke ich     warum geht ihr nach außen     warum bleibt ihr nicht in euch selbst     und greift euer eigenes     ihr tragt doch alles wahrhaft in euch

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