Die berühmte Geschichte von der Ausfahrt des Prinzen Gotama. Oder Vipassi. Die erste Ausfahrt zeigt ihm, der bisher in einer künstlich-schönen Welt lebte, einen Alten, und er erkennt: meine Jugendlichkeit wird nicht bleiben. Die zweite Ausfahrt zeigt ihm einen Kranken, und er erkennt: meine Gesundheit gehört mir nicht. Die dritte Ausfahrt zeigt ihm einen Toten, und er fühlt was es heisst, einmal nicht mehr zu sein.

Wenn all das nicht "mein eigen" ist, wie er sagt, was ist dann sein eigen?

Auf der vierten Ausfahrt trifft er einen Mann, der anders lebt, als es offenbar normal ist. Er bezeichnet sich als heimatlos. Er sei heimatlos, weil er suche, weil er in Frieden leben wolle, niemandem schaden wolle, und mit allem was lebt fühlen wolle. Gotama, oder Vipassi, entscheidet sich daraufhin für diese Art Heimatlosigkeit.

Ich habe die Erzählung, wie ich sie bei Hermann Oldenberg (Reden des Buddha, München:Wolff 1922, Nr. 3) vorgefunden habe, umgeformt. Diese Version ist die Grundlage für eine Folge von Versuchen, diesen Text heute zu sprechen, zu befragen, und in verschiedene Konstellationen zu stellen.

Text (pdf)

Scherbengericht über Buddha in Jeju (Herbst 2018)

Der Text, in dem es um die menschliche Existenz geht, wird durch die Live-Elektronik in einen Raum gestellt, der eine andere Realität der menschlichen Existenz betrifft. Nicht der natürliche Tod ist hier das Thema, sondern der gewaltsame Tod; die massenhafte Tötung von Menschen (mehrheitlich Frauen und Kinder) durch Menschen (immer Männer) im Zuge politischer Ereignisse. Auf Jeju wurden vor 70 Jahren mehrere zehntausend Zivilisten durch koreanische Soldaten getötet. In Europa wurden kurz zuvor Millionen von Zivilisten durch Deutsche in Lagern getötet. Einer der dort Gefangenen, Jean Améry, hat in seinem Buch "Jenseits von Schuld und Sühne" diese Erfahrung in den Zusammenhang einer kontinuierlichen Geschichte von Gewalt, Niederwerfung, Missachtung und Vernichtung gestellt: "Es war die griechische Zivilisation aufgebaut auf Sklaverei, und ein athenisches Heer hatte auf Melos gehaust wie die SS in der Ukraine." Neben diesem Satz steht eine der Zeugenaussagen über die Tötungen auf Jeju: "Die Opfer dieser Exekution waren: Hyeon Gyeong-ho, Kim Won-jung, Bae Du-bong, Lee Sang-hui, Hyeon Du-hwang, und eine Person deren Namen unbekannt ist." (Jeju 4·3 Incident Investigation Report, p. 474)

Aufführung beim 1st Jeju Contemporary Music Festival 9. Oktober 2018 (Korea)