Younghi Pagh-Paan als Lehrerin 2011
Was haben wir erfahren, was haben wir gelernt, was wollen wir weitergeben.
Wir haben erfahren, dass Komposition alles ist, und alles von uns fordert. Nicht hier und da ein bisschen, sondern ganz. Gefräßig. Uns in Abgründe stürzend. Uns wieder nackt machend, plärrendes Kleinkind, ausgesetzt und hilflos. Nur wer sein Haus, die gewohnten Gänge, und Umgänge, verlassen kann, kann dort hinkommen. Und wer es tut, wer sich aussetzt, nicht mehr weiter weiss, nicht mehr kann, wer auf den Grund seines Nichts gestoßen ist, der findet hier einen Beistand. Die Schwäche ist des Daos Segen. Einen Beistand als Lehrerin und als Mensch. Eine Lehrerin die zeigt wie man einen Bleistift spitzt, wie man eine Quintole richtig schreibt, wie man aus einer vielleicht zerbrechlichen Ursprungsidee zu seiner ganz eigenen Musik kommt, und einen Menschen, der einfach da ist, wirklich da und ganz da. Younghi fordert nicht Absolutheit, sie verkörpert diese Absolutheit. Younghi fordert nicht Ausgesetztheit, sie verkörpert diese Ausgesetztheit, und kann deshalb solch ein Beistand sein. Die Wende ist des Daos Bewegen. Wir haben erfahren, dass Komponieren nichts zu tun hat mit der routinierten Anwendung einer Handvoll Techniken. Wir haben erfahren, dass Komponieren geradezu das Gegenteil davon ist.
Wir haben eine Liebe erfahren, die alles zu geben bereit ist. Eine Grenzenlosigkeit in den Grenzen in denen wir uns bewegen. Eine Andersartigkeit in den vertrauten Normalitäten und Rationalitäten. Lieb ist sie nicht, diese Liebe. Sie ist absolut, sie ist fordernd, sie ist kämpferisch. Sie gibt sich nicht zufrieden mit einem netten Plätzchen im Vorgarten, neben dem Plastikspringbrunnen. Sie kann ungerecht sein, sie verzweifelt, sie schreit, sie beglückt. Dass wir diese Liebe erfahren haben, ist ein Geschenk, das für viele von uns zu dem Kostbarsten gehört, was wir mit einem anderen Menschen erfahren haben. Es ist ein Geschenk, das nicht aufgeht in Studienordnungen, Pflichtveranstaltungen und Qualitätssicherungen. Das hat keine Sicherung, das ist durchgeknallt, das kann nur wieder verrückt weitergegeben werden, anders natürlich, wenn es denn kann. Es macht aufmerksam auf Querstände, auf zu dieser Erfahrung quer Stehendes. Es macht aufmerksam auf die Veräußerlichung der musikalischen Ausbildung, des gemeinsamen Lernens, die sich in vielen Köpfen derzeit abspielt, die sich für die Eliten halten und nur noch in Modulbeschreibungen, Leistungspunkten und Workload denken können. Köpfe, die sich nicht mehr nach Herzen fragen lassen, weil sie kein Verständnis für Innen und Außen, für Rahmen und Inhalt haben.
Diese Liebe pflanzt fort, sie trifft in den Menschen, die sie erfahren haben auf etwas, das weiterwirkt, auf etwas, das folgt. Sie hat Erfolg. Erfolg ist nicht, wie viele Schüler und Schülerinnen Younghis Wettbewerbe gewonnen haben, berühmt geworden sind oder eine Stelle bekommen haben. Erfolg ist, Menschen mit dem konfrontiert zu haben, was sie sind und was sie sein können. Erfolg ist, komponierenden Menschen zu ihrer Musik verholfen zu haben, mit Sensibilität, Ehrlichkeit, und einer Erfahrung, die aus sehr viel Arbeit herkommt.
Wir wissen, dass Younghi diesen Erfolg gehabt hat. Und wir hoffen, dass von der Bewegung, die von ihr ausgegangen ist, eine Resonanz zu ihr zurückgekommen ist, und weiter kommt. Ein Kreis schließt sich, und öffnet sich wieder.
Die Wende ist des Daos Bewegen.
Die Schwäche ist des Daos Segen.
Die Dinge der Welt gehen hervor aus der Fülle.
Die Fülle geht hervor aus der Leere.