Der Computer als Instrument 2015
Oder: Warum ein Komponist programmieren lernt
Beitrag zum Symposium "Wie werden wir durch den digitalen Wandel verändert?"
Kunstverein Hannover, 18. April 2015
(Mitschnitt: https://www.youtube.com/watch?v=wLD5jbCqLj0)
Ich denke, es ist das Beste, wenn ich meinen Beitrag als Werkstattbericht anlege: Einen kleinen Einblick geben, wie man als Komponist mit dem Computer als Produktionsmittel arbeitet, arbeiten kann, als eine von vielen Möglichkeiten natürlich. Bevor ich damit anfange, nur ein paar allgemeine Überlegungen, um den Rahmen abzustecken.
Zunächst möchte ich meinem eigenen Titel widersprechen: Der Computer als Instrument? Der Computer ist kein Instrument, wie eine Geige, eine Flöte oder eine Trommel. Er ist kein so und so beschaffener Körper, der zur Erweiterung des eigenen Körpers wird, in einem langwierigen Lernprozess. Und das nicht nur, weil der Computer nicht dazu gemacht ist Klänge hervorzubringen, wenn man über ihn streicht, in ihn hineinbläst oder auf ihn schlägt. Der Computer ist wesentlich nur eine Ansammlung von Speicherzellen, die immer wieder verschieden beschrieben werden können. Er ist kein Instrument, sondern ein Instrument, mit dem man Instrumente bauen kann. Ein Instrument für Instrumente.
Das bedeutet zum einen, dass dem Computer die extreme Wandelbarkeit eingeschrieben ist. Ob sich die Speicherzellen nun als zimmergroße Kiste, als Laptop oder als Smartphone realisieren, ist dem Computer, vermenschlicht gesprochen, egal. Und ebenso ist zwar die Möglichkeit einer Eingabe und Ausgabe dem Computer wesentlich, deren Art und Weise aber gänzlich beliebig: Computertastur, Maus, Touchscreen; Monitor, Drucker, Elektromotor; oder als Musiker: Keyboard, Controller, Mikrofon als Input, Soundmodul oder Lautsprecher als Output — das sind alles nur vorübergehende Materialisierungen von prinzipiell beliebigen Input-Outsystemen.
Und das bedeutet zum anderen, dass wir uns im Umgang mit dem Computer auf zwei Ebenen bewegen können. Wir können entweder fertige Programme ("Apps") benutzen, oder wir können "selbst machen": selbst programmieren, selbst Input-Output-Einheiten gestalten. — Ich möchte Ihnen diesen Umgang an ein paar kleinen Beispielen vorführen.
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Ich komme zurück auf den zweiten Teil meines Titels: Warum lernt ein Komponist programmieren? Für meinen eigenen Weg dorthin sind zwei Gründe bestimmend.
Zum einen kann ich durch Programmieren die Selbständigkeit fortsetzen und verwirklichen, an der mir beim Komponieren besonders liegt. So, wie in der Neuen Musik alles zum Thema werden kann, keine Klänge, keine Klangverbindungen von vornherein feststehen, eine Form immer neu zu finden ist, und ebenso die Formen der Versammlung, der Begegnung mit dem Publikum — ebenso ist es für mich in der elektronischen Musik ein Bedürfnis, keine vorgefertigten "Effekte" oder "Apps" zu benutzen, die eine bestimmte Klangästhetik mit sich führen, sondern in die Einzelheiten der Klänge hineingehen zu können, auf einer sehr grundlegenden Ebene alles "anfassen" zu können, und mir letzten Endes meine eigenen Instrumente zu bauen.
Und diese Selbständigkeit erstreckt sich auch noch auf eine andere Ebene. Mir ist es immer wichtiger geworden, mit Programmen zu arbeiten, die "gemeinfrei" sind, also allen gehören. Ich möchte aus der Rolle den Konsumenten heraustreten, ich möchte helfen, dass das, was Gemeineigentum ist, gut funktioniert, besser wird. Und in dem Maße wie ich das tue, gehört es mir mehr, ich kann mehr Einfluss nehmen, mehr eigene Wünsche verwirklichen. Und ich kann mit anderen Menschen in diesem Feld Formen der Zusammenarbeit entwickeln, die beispielhaft sein können für Kooperationen, die möglich sind, wenn wir uns von der Logik des Marktes befreien. Insofern würde ich die Frage, unter der wir uns hier versammelt haben, gern umdrehen. Schauen wir auf die Digitalisierung nicht nur als etwas, das uns verändert, sondern auf etwas, das wir verändern können. Es liegt an uns, ob wir uns durch eine pervertierte Marktlogik als Konsummaschinen verheizen lassen, oder Formen entwickeln, die durchaus digital sind (warum auch nicht), aber wirklich uns gehören.